ALLFA-Ticket

Ausgangssituation

Im BMBF-Leitprojekt »intermobil Region Dresden« wurde von Fraunhofer IVI und Siemens VDO in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsverbund Oberelbe, den Dresdner Verkehrsbetrieben, der DB Regio Verkehrsbetrieb Sachsen
u. a. Partnern ein innovatives Fahrgeldmanagementsystem für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) entwickelt und dabei zwei grundlegende Funktionen realisiert:

  • automatische Anwesenheitserfassung in Bus und Bahn
  • automatische Fahrpreisermittlung auf Basis eines flexiblen Tarifmodells.

Die Fahrgäste werden weltweit erstmals nach dem Grundsatz »Einsteigen und Fahren« von den bisher erforderlichen Handlungen vor und während einer Fahrt (z. B. Ticketkauf) und den heute noch zwingend notwendigen Vorkenntnissen zum Tarif und zum Vertriebssystem weitgehend entlastet.

Dies geschieht durch die vollautomatische Erfassung eines von den Fahrgästen mitzuführenden Nutzermediums in den Fahrzeugen - den so genannten »ALLFA-Tickets« (spezielle elektronische Karten bzw. Mobiltelefone). Alle Medien, die sich während der Fahrt in einem Fahrzeug befinden, werden dort mit Hilfe spezieller Antennen auf Basis der »Be-In/Be-Out Technologie« (BIBO) funktechnisch registriert. Damit ist es erstmals möglich, alle im ÖPNV absolvierten Fahrten exakt zu ermitteln, den jeweiligen Fahrpreis automatisch zu berechnen und per Rechnung oder über ein vorausbezahltes, anonymes Guthaben zu begleichen.

Eine besondere Aufgabe erfüllt die BIBO-Technologie in einem Parkhaus am Dresdner Hauptbahnhof: Per Tastendruck auf dem Nutzermedium öffnen sich die Parkschranken, die Ermittlung der Parkdauer erfolgt automatisch. Das Umsteigen zwischen ÖPNV und Auto wird dadurch noch einfacher.

Projektbeschreibung

Das Fraunhofer IVI war maßgeblich an der Konzeption des gesamten Fahgeldmanagementsystems beteiligt und entwickelte einen flexiblen elektronischen Tarif sowie ein neues, kundenorientiertes Hintergrundsystem für den Pilotversuch; beginnend mit der automatischen Fahrpreisberechnung bis hin zu den kompletten elektronischen Geschäftsprozessen.

Das Hintergrundsystem verarbeitet die gesamten, aus den Fahrzeugen gelieferten Rohdaten und ermöglicht eine optimale Betreuung der Pilotteilnehmer in den Service-Centern der beteiligten Verkehrsunternehmen: durch eine Telefon-Hotline sowie über öffentliche Informationsterminals, Home-PCs und auf Wunsch per SMS. Die Geschäftsprozesse werden zentral über hochverfügbare Server realisiert und stehen über dezentrale, internetbasierte Clients den Service-Mitarbeitern und Nutzern zur Verfügung. So lassen sich auf einfache Weise z. B. An- und Abmeldungen oder Sperrungen von Nutzermedien bei Verlust vornehmen. Etwa 20 unterschiedliche Geschäftsprozesse sind schnell, komfortabel und zuverlässig über Bildschirmmasken bzw. -dialoge ausführbar. Die Nutzer können beispielsweise eine passwortgeschützte Übersicht ihrer absolvierten Fahrten abrufen und ausdrucken, individuelle Einstellungen ändern oder ihr Guthabenkonto aufladen. Basis dieser Geschäftsprozesse ist die zentrale Verarbeitung aller vom Raumerfassungssystem generierten Rohdaten beim Fraunhofer IVI.

Die ALLFA-Tickets ermöglichen es darüber hinaus, Fahrpreise im ÖPNV erstmals leistungsbezogen abzurechnen. Für eine individuell in Anspruch genommene Beförderungsleistung wird automatisch das entsprechende Fahrtentgelt berechnet. Dazu wurde vom IVI gemeinsam mit dem Verkehrsverbund Oberelbe und den Verkehrsunternehmen ein neuartiger »elektronischer Tarif« entwickelt. Er gestattet eine stärker leistungs- und marktbezogene Preisdifferenzierung, insbesondere nach der zurückgelegten Strecke sowie nach Wochentag, Fahrgasttyp, Reisezeitlage und weiteren Parametern. Sonderpreise für Marketingaktionen und spezielle Rabatte gemäß dem individuellen Nutzungsverhalten lassen sich ebenfalls berücksichtigen.

Der neue Tarif wurde bezüglich seiner Ertragskraft und seiner Preiswirkungen auf typische Nutzergruppen sowie beispielhafte Nutzungsfälle kalkuliert und mit dem derzeitig gültigen Tarif verglichen. Die automatische Fahrpreisberechnung nach diesem Tarif übenimmt ein vom Fraunhofer IVI speziell entwickelter Tarifserver.

Unter strikter Beachtung des Datenschutzes lässt sich aus den registrierten Fahrten eine Vielzahl von verkehrlich, betrieblich und tariflich relevanten Daten ermitteln, die eine völlig neue Basis für die kontinuierliche Optimierung des ÖPNV-Angebots bieten. Mit Hilfe einer grafischen Simulationssoftware des IVI besteht erstmals die Möglichkeit, komplexe Auswertungen zur Abschätzung der tariflichen Ertragskraft sowie zur optimalen Kalibrierung neuer elektronischer Tarife durchzuführen.

Ergebnis

Das System wurde in einem 6-monatigen öffentlichen Piloten unter dem Namen »ALLFA« von ca. 2000 Teilnehmern im Verkehrsverbund Oberelbe getestet. Die Technik wurde in 54 Fahrzeugen auf 11 Nahverkehrslinien in Dresden und Umgebung sowie in einem Parkhaus erfolgreich erprobt.

Zum Einsatz kamen moderne Stadt- u. Regionalbusse, Niederflur-Straßenbahnen und Doppelstockzüge. Sowohl die Teilnehmer als auch die Fachwelt zeigten sich nach dem Piloten von den Vorzügen des Systems überzeugt, so dass sich die Verkehrsverbünde im Freistaat Sachsen in einer gemeinsamen Absichtserklärung für eine zukünftige Produktiveinführung aussprachen.

Die vom Fraunhofer IVI bereitgestellten Konzepte, Modelle und Software- bzw. Hardwaresysteme haben sich im Pilotversuch bewährt. Das Hintergrundsystem wurde von den Mitarbeitern in 10 Servicestellen bzw. der Service-Hotline fast 5000-mal sowie privat durch die Pilotteilnehmer ca. 6000-mal genutzt. Über 120 000 Fahrten konnten im IVI elektronisch verarbeitet und automatisch nach dem neuen Tarifmodell bepreist werden.

Förderung und Partner

  • Bundesministerium für Bildung und Forschung
  • Freistaat Sachsen
  • Siemens AG
  • Verkehrsverbund Oberelbe
  • Dresdner Verkehrsbetriebe AG
  • DB Regio AG
  • Regionalverkehr Dresden u.a.