Schnellladefähige Latentwärmespeicherheizung für vollelektrische Stadtbusse

Heat2Go

Die emissionsfreie Beheizung vollelektrischer Fahrzeuge ist derzeit nur mit einer deutlichen Reduktion der Reichweite möglich. Um dieser Problematik Abhilfe zu schaffen, wurde im Projekt Heat2Go ein Heizungssystem entwickelt, das auf einem schnellladefähigen Wärmespeicher basiert. Die Energiebereitstellung verlagert sich dabei von der Traktionsbatterie auf die wegseitige Infrastruktur. Batteriebusse, die nach dem Prinzip der Gelegenheitsladung betrieben werden, können nun an der Endhaltestelle innerhalb weniger Minuten die für den Umlauf erforderliche Gesamtenergie aufnehmen, ohne dass die Batterie im Heizbetrieb belastet wird.

Ausgangsituation

Um bei Elektrobussen im Winter die Solltemperatur im Fahrgastraum bereitstellen und die Heizanforderungen des Fahrerarbeitsplatzes erfüllen zu können, muss eine erhebliche Heizleistung aufgebracht werden. Aufgrund der geringen Motorabwärme bei vollelektrischen Bussen ist es erforderlich, die Heizleistung mittels einer zusätzlichen Wärmequelle bereitzustellen.

Überblick bisheriger Heizsysteme von Elektrobussen:

  • Brennstoffheizer – diese verringern zwar die Reichweite des Elektrobusses nicht, erzeugen jedoch CO2-Emissionen.
  • elektrische Heizungssysteme – diese sind potentiell emissionsfrei, wirken sich aber negativ auf die Reichweite des Busses aus

Das Konzept Gelegenheitsladung

Die Projektidee basiert auf dem Konzept der sogenannten Gelegenheitsladung (Opportunity Charging) für Linienbusse. Dabei wird die Batterie der Fahrzeuge bei Bedarf an (End-)Haltestellen und entsprechend des Verbrauchs auf der Linie nachgeladen. Der entscheidende Vorteil der Gelegenheitsladung liegt in der Möglichkeit, die Batteriekapazität zu verringern, da diese theoretisch nur den Verbrauch zwischen 2 Ladeintervallen abdecken muss. Die Ladeinfrastruktur kann in der Regel größere Ladeleistungen zur Verfügung stellen als von den Fahrzeugen benötigt. Diese Ladeleistung lässt sich daher für anderweitige Aufgaben (z. B. die Aufladung von Wärmespeichern) nutzen. Dadurch kann die Bereitstellung der Energie für die Heizung von der Traktionsbatterie auf die Ladeinfrastruktur verlagert werden.

© Fraunhofer IVI
Ladestrategie Wärmespeicher für Gelegenheitsladung

Vorteile der Ladung der Wärmespeicherheizung an der Ladestation parallel zur Traktionsbatterie:

  • keine Belastung der Batterie während der Fahrt zum Heizen; längere Batterielebensdauer
  • keine reduzierte Reichweite bei Heizbetrieb
  • bereitgestellte Heizenergie ohne Speicherverluste durch die Batterie
  • kein Verschleiß des Speichermediums im Gegensatz zur Batterie
  • lokal ohne CO2-Emissionen

Technologie: latente Wärmespeicherung

Versuchsaufbau, Aufschmelzen des Paraffins

Die technologische Herausforderung des Projekts war die Konzeption und Umsetzung der schnellladefähigen Wärmespeichermodule, die zusammen innerhalb einer Ladezeit von 6 min die Energiemenge für 60 min Heizen aufnehmen sollen. Zudem muss die Wärmeabgabe auf einem ausreichenden Temperaturniveau stattfinden, um den Innenraum bedarfsgerecht heizen zu können. Gespeichert wird die benötigte Wärme im Phasenwechsel eines Paraffins von fest zu flüssig (60 bis 80 °C).

Vorteile der latenten Wärmespeicherung:

  • Wärmespeicherkapazität im Phasenwechsel ist größer als bei sensibler Wärmespeicherung mit 100 K Temperaturhub; höhere volumetrische Energiedichte
  • hohe Wärmespeicherkapazität bei geringen Temperaturhub
  • Wärmeabgabe bei konstanter Temperatur

Integration ins Demonstrationsfahrzeug

© Fraunhofer IVI
Demonstrator Latentwärmespeicherheizung im EDDA-Bus

Die Integration des Wärmespeichers in das institutseigene Versuchsfahrzeug EDDA-Bus (Elektromobilitäts‑Demonstration Docking‑Anwendung) erfolgte als Zentralspeicher, um den Integrationsaufwand so gering wie möglich zu halten. Als Einbauort wurde der Bereich hinter dem Fahrerarbeitsplatz gewählt. Durch den modularen Aufbau des Wärmespeichers ist ein fahrzeugintegrierter Einbau ohne Verringerung der Sitzplatzanzahl ebenfalls möglich. Für die Wärmeverteilung wurde auf die bereits im Fahrzeug befindlichen Konvektoren zurückgegriffen. Die hydraulischen Anschlussleitungen der Konvektoren an den Wärmespeicher wurden dabei im Fahrgastinnenraum verlegt, um die Wärmeverluste an die Umgebung so gering wie möglich zu halten.

Mit dem im Projekt erstellten Energiespeichermanagement wurde eine optimale Ladesteuerung für eine homogene und vollständige Beladung der Module entwickelt. Weiterhin kann das System bei leerem Wärmespeicher aus der Batterie nachgeladen und so ein durchgängiger Heizbetrieb sichergestellt werden.

 

Demonstration und Evaluierung

© Fraunhofer IVI
Systemtest in der Klimahalle der Konvekta AG

Für die Demonstration und Evaluierung der Wärmespeicherheizung wurden in der Klimahalle des Projektpartners Konvekta umfangreiche Messreihen durchgeführt. Dabei wurden beispielsweise auch Türöffnungen und der damit einhergehende Luftaustausch berücksichtigt. Die durchgeführten Versuche konnten die grundlegende Funktionsfähigkeit der Wärmespeicherheizung nachweisen, wobei die Solltemperatur im Innenraum von 18 °C immer bereitgestellt werden konnte. Ergänzend wurden die Ergebnisse der Versuche in der Klimahalle durch einen Straßeneinsatz untermauert.

Mit den Versuchen in der Klimahalle konnten die folgenden Systemeigenschaften nachgewiesen werden:

  • Designkapazität von 13,5 kWh nutzbar
  • Laderate an der Ladestation von 7,6 h-1
  • Durchschnittliche Entladerate von 1,0 h-1
  • Spitzenheizleistung zum Aufheizen von 18 kW

Projektpartner

  • AURORA Konrad G. Schulz GmbH & Co. KG
  • Konvekta AG
  • Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI