Docking Prinzip

Ausgangssituation

Im Zusammenhang mit der derzeit heftig geführten Diskussion um Luftreinhaltung erlangen umweltfreundliche Verkehrskonzepte immer größere Bedeutung. Im urbanen und suburbanen Raum sind es hauptsächlich öffentliche Nahverkehrsmittel, die einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen von Klimaschutzzielen durch eine nachhaltige Minderung klimarelevanter und gesundheitsgefährdender Emissionen leisten können. Verkehrssysteme des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) müssen deshalb künftig den folgenden Anforderungen gerecht werden:

  • Abnahme des Primärenergiebedarfes von Fahrzeugantrieben,
  • Emissionsminderung bei gleicher Verkehrsleistung,
  • Verringerung der Lebenszykluskosten elektrischer Antriebstechnik gegenüber oberleitungsgebundenem ÖPNV,
  • langfristige Reduzierung verkehrsbedingter Schadstoffimmissionen und damit
  • Erhöhung der Attraktivität öffentlicher Verkehrsträger als saubere, effiziente und geräuscharme Transportsysteme.

 

Zielstellung

Da der Umweltschutzaspekt allein oft nicht ausreicht, die Migration zu effizienten und emissionsfreien Antriebskonzepten zu motivieren, ist die gesamtwirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit zu konventionellen Systemen von großer Bedeutung. Unter dem Projektnamen »DockingPrinzip« sind alle Teilsysteme zur Realisierung eines neuen Antriebskonzeptes zusammengefasst. Das Ziel ist dabei, sowohl Busse des ÖPNV lokal emissionsfrei als auch Bahnen mit geringen Aufwendungen für die wegseitige Infrastruktur hoch effizient zu betreiben. Bei diesem Antriebskonzept wird der fahrzeugseitige Energiespeicher eines Fahrzeugs an wegseitig punktuell installierten Ladestationen (Dockingstationen) nachgeladen und die Entnahme der Traktionsleistung aus dem Speicher durch ein vorausschauendes Energiemanagementsystem optimal gesteuert (Abb. 1, 2). Ferner ist der fahrzeugseitige Speicher auch in der Lage, rückgespeiste Bremsenergie aufzunehmen. Gerade beim häufigen Wechsel von Anfahr- und Bremsvorgängen trägt dies zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit bei.

»DockingPrinzip«

Voraussetzung für die Entwicklung ist die Identifikation von kritischen Parametern für die Fahrzeuge hinsichtlich energetischer und leistungsbezogener Anforderungen sowie fahrzeugtechnischer Randbedingungen (z. B. Bauraum, Schnittstellen). Weiterhin werden geeignete Speicherkonfigurationen als Basis für die Integration und den Test derartiger Energiespeichersysteme bestimmt.

Ein prädiktives Energiemanagement als integraler Bestandteil des »DockingPrinzips« stellt im Fahrbetrieb sicher, dass die gespeicherte elektrische Energie vorausschauend und optimal zur Realisierung der Antriebsaufgabe und zur Deckung der Versorgung der Hilfsaggregate eingesetzt wird. Die konzeptionelle Erarbeitung, prototypische Umsetzung und Ableitung einer Produktlösung für eine Energieversorgungseinrichtung, bestehend aus Ladestation (Dockingstation) und Hochstromübertragungssystem ist ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtprojekts »DockingPrinzip«. Das Nachladen erfolgt während planmäßiger Fahrzeugstopps an Haltestellen. Im Rahmen von Voruntersuchungen wurden umfassende Betrachtungen, LCC- und Kosten-Nutzen-Analysen durchgeführt, die das Marktpotential und die Wettbewerbsfähigkeit des »DockingPrinzips« zeigen.

Ladestation

Die Ladestation wird an das Niederspannungsnetz eines Energieversorgungsunternehmens angeschlossen, aus dem das Laden des Stationsspeichers kontinuierlich mit kleiner Leistung erfolgt. Die Übertragung dieser mittels Doppelschicht-Kondensatoren gespeicherter Energie auf das Fahrzeug geschieht mit hoher Leistung über das Hochstromübertragungssystem. Besonders im Vergleich zu konventionellen Oberleitungsnetzen mit ihren Unterwerken bietet sich ein Kostenreduktionspotential. Für die Umwandlung der Wechselspannung des Versorgungsnetzes in eine definierte Gleichspannung wird ein elektronisch geregeltes Netzteil mit DC/DC-Wandler eingesetzt. Um die Energie aus der Ladestation in den Energiespeicher des Fahrzeugs zu übertragen, ist ein weiterer DC/DC-Wandler notwendig, der die Ausgangsspannung der Ladestation auf das Niveau der fahrzeugseitigen Zwischenkreisspannung angleicht.

Nach erfolgreich abgeschlossener Erprobung einer ersten prototypisch aufgebauten Ladestation kann nunmehr auf eine Produktlösung mit betriebstechnischer Zulassung, welche sich harmonisch in ein Haltestellenensemble integrieren lässt, hingearbeitet werden.

Hochstromübertragungssystem

Über die Schnittstelle von der wegseitigen Energieversorgung zum Fahrzeug sollen in kürzester Zeit hohe Energiemengen übertragen werden. Diese Anforderung führt zu sehr hohen Strombelastungen der am Leistungstransfer beteiligten Übertragungs-komponenten. Bisher bekannte und ausgeführte Energieübertragungssysteme für Nahverkehrsfahrzeuge, wie z. B. Stromabnehmer - Stromschiene/Oberleitung, können diese Anforderungen vor allem aus Gründen der thermischer Belastbarkeit nicht ausreichend erfüllen.

Gemeinsam mit einem Straßenbahnhersteller entstand im Rahmen eines vom BMBF geförderten Forschungsprojektes ein wegseitiges Hochstromübertragungssystem für die Schnellladung des Energiespeichersystems einer Stadtbahn. Das System, bestehend aus federnd gelagerten Einzelsegmenten, erzielt die geforderte Leistungsübertragung auch an beliebig verschleißbehafteten Schleifkohlen eines Standardstromabnehmers. Für Fahrzeuge ohne Stromabnehmer (Busse) wurde alternativ ein fahrzeugseitiges Hochstromübertragungssystem entwickelt und prototypisch umgesetzt.

Die Verfügbarkeit einer schnellen, sicheren und weitgehend automatisierten Übertragungstechnik zur Nachladung des Fahrzeugenergiespeichers ist eine elementare Voraussetzung für die Demonstration des vollelektrischen Betriebs von Stadtbussen.

Förderung und Partner

 

Die Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF im Rahmen der Fördermaßnahme »klimazwei - Forschung für den Klimaschutz und Schutz vor Klimawirkungen« unter dem Titel "Verbundvorhaben Klimaschutz: Anwendung des Docking Prinzips im Nahverkehr" über eine Laufzeit von 3,5 Jahren gefördert.

Die Projektbearbeitung erfolgte gemeinsam mit der Bombardier Transportation GmbH. An projektbegleitenden Untersuchungen waren außerdem der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen VDV und die Dresdner Verkehrsbetriebe DVB AG beteiligt.

Eine ausführliche Darstellung der Projektergebnisse des BMBF-Forschungsprojektes ist im Abschlussbericht veröffentlicht:

Lehnert, M.; Klausner, S.; Himme, C.; Klohr, M.: Das DockingPrinzip - Klimaschutz durch emissionsreduzierte Nahverkehrssysteme. Gemeinsamer Schlussbericht des Projektverbundes: Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI und Bombardier Transportation GmbH, Dresden, 2010. Dieser Bericht ist online verfügbar.