Modellgestütztes Screening von Umweltdaten

Ausgangssituation

 

Die automatischen Messstationen des Luftmessnetzes erfassen kontinuierlich alle wesentlichen Luftschadstoffe wie CO, SO2, NO2, NOx, Feinstaub PM10, Blei, organische Stoffe wie Benzol usw.. Die Messdaten stehen mit hoher Auflösung in dichter zeitlicher Abfolge über lange Zeithorizonte zur Verfügung. Die Auswertung dieser Daten konzentriert sich gegenwärtig auf die Überwachung der durch die EU-Richtlinien vorgegebenen Luftqualitätsparameter sowie die routinemäßige Information der Öffentlichkeit über den Zustand der Luft und die Vermeidung von Grenzwertüberschreitungen. Dazu gehört auch das Erstellen von Luftreinhalte- und Aktionsplänen, die der Senkung der Schadstoffkonzentrationen dienen sollen.

Zur Abschätzung von Minderungsmaßnahmen ist die komplexe Betrachtung aller Einflussfaktoren notwendig. Die Identifizierung und Quantifizierung der Quellgruppen allein ist nicht ausreichend, die PM10-Immissionsbelastung sicher zu prognostizieren. Insbesondere die Wirkung klimatischer Faktoren hat für die Einhaltung oder Überschreitung der 24-Stundengrenzwerte eine dominante Bedeutung.

Um tiefergehende Analysen verkehrsbedingter Immissionen zu ermöglichen, entwickelt das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI für das zur Verfügung stehende Datenmaterial modellgestützte Auswerteverfahren.

 

Konzept

Screeningfunktionen basieren auf modernsten Methoden der Signalanalyse und erlauben aus großen Messdatensätzen statistisch relevante Wirkzusammenhänge beispielsweise zwischen dynamisch veränderlichen Verkehrsflüssen und lokalen Immissionsbelastungen oder zwischen Witterungsverläufen und Immissionsspitzen zu extrahieren. Außerdem können Screeningfunktionen die Überwachung der Luftqualitätsparameter oder auch anderer Umweltparameter effektivieren, da sie

  • redundante Prozessinformationen aus großen Messdatensätzen eliminieren,
  • zeitveränderliche Signale wie typische Ganglinienformen und deren charakteristische Veränderungen berücksichtigen und
  • das Luftqualitätsmonitoring auf wenige, statistisch signifikante Signale reduzieren.

Im Ergebnis dieser Untersuchungen können gezielt spezielle statistische Auswertungen durchgeführt werden.

Ziel der Untersuchungen

Mit Hilfe eines kontinuierliche Monitorings können die verschiedensten Einflüsse auf die Schadstoffimmissionen separiert und die Messwerte unter unterschiedlichen verkehrlichen, meteorologischen und geografischen Bedingungen analysiert werden. Anhand dieser Erkenntnisse ist es möglich, Prognosen zur Schadstoffkonzentration abzugeben. Mittels dieser Vorhersage kann abgeschätzt werden, ob mit Grenzwertüberschreitungen zu rechnen ist und welche Maßnahmepläne eingeleitet werden müssen.

Kompetenzen

Ursprünglich wurden die sensiblen signaltheoretischen Methoden des Schadstoffscreenings im Fraunhofer IVI für automatische Überwachungsfunktionen an Plasmaätzanlagen und Maschinendaten in der Halbleiterproduktion sowie für das Biomonitoring an Fermentoren entwickelt. Die Methoden bewährten sich im industriellen Einsatz.

Seit mehreren Jahren werden diese Verfahren erfolgreich zur Auswertung von Immissionsdatensätzen angewandt.

Referenzen

 

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